Der Kies knirscht unter seinen Füßen, als der Rettungsassistent den Waldweg entlang rennt. Ein Mann liegt scheinbar bewusstlos auf dem kalten, feuchten Boden und rührt sich nicht. Der Rettungsassistent versucht, mit dem Verletzten zu sprechen und überprüft seine Vitalzeichen. Schließlich kommt ein weiterer Helfer mit einer Trage, deren Räder laut ratternd über den unebenen Weg hüpfen. Dann legen sie den Mann auf die Trage und bringen ihn zum Krankenwagen. Die Türen schließen sich. Blaulicht verwandelt die Bäume in bizarre Gestalten. Dann wird es wieder ruhig im Wald.
Was sich anhört wie ein Ernstfall, ist eine Übung des Forstbezirks Bärenfels. „Wir wollen überprüfen, ob unsere Forstarbeiter die nötigen Kenntnisse und Fähigkeiten besitzen, so schnell und effektiv wie möglich einen Notruf abzugeben und die notwendigen Behörden zu informieren“, sagt Forstbezirksleiter Wolfram Gläser. Besonders wichtig ist, ob die Informationswege einwandfrei funktionieren. Einmal im Jahr wird diese Übung durchgeführt. Neben dem Forstbezirk beteiligen sich auch die Feuerwehr und einige Vertreter der Stadt Rabenau am Einsatz.
Alles geht sehr schnell
Zuerst wird ein Waldbrand simuliert. An einem Ort, den der Forstbezirksleiter festgelegt hat, soll ein Notruf abgegeben werden. Wo genau, wird lange geheim gehalten, um so nah wie möglich an der Realität zu bleiben. Schon im Vorfeld wurde die Rettungsleitstelle in Dippoldiswalde darüber unterrichtet, dass eine Übung stattfindet, damit im Falle eines wirklichen Brandes die Simulation sofort abgebrochen werden kann.
Nach dem Notruf informiert die Rettungsleitstelle die für diesen Bezirk zuständige Feuerwehr in Rabenau. Wenn alle Informationen richtig weitergegeben worden sind, hätte sich die Übung als erfolgreich herausgestellt. Tatsächlich haben sich aber einige Differenzen herausgestellt. „Wir als Feuerwehr verwenden zur Standortbestimmung Waldbrandkarten, auf denen die genauen Koordinaten von Rettungspunkten zu finden sind. Die Leitstelle jedoch verwendet die Rettungskarten des Forstbezirkes. Der Maßstab und die Koordinaten unterscheiden sich, dadurch kann es länger dauern, bis man den richtigen Ort gefunden hat“, sagt Gemeindewehrleiter Armin Groß. Es muss also unbedingt ein Abgleich und Austausch der nötigen Karten stattfinden.
Als Nächstes folgt die Rettungsübung des Forstbezirks. Wolfram Gläser hat sich eine Brigade Forstarbeiter ausgesucht, die jetzt die Übung absolvieren soll. Die überraschten Gesichter der Arbeiter verraten, dass sie vorher nicht informiert waren. Einer von ihnen stellt sich bewusstlos. Die drei übrigen fragen noch mal nach, ob sie die Übung wirklich per Notruf ausführen sollen. Genau dies ist der Fall. Geistesgegenwärtig teilt der erste Arbeiter den anderen Aufgaben zu. Zwei bleiben beim Verletzten, und einer gibt den Notruf ab. Dann geht alles sehr schnell. Das Opfer wird mit gekonnten Handgriffen in die stabile Seitenlage gebracht und mit einer Wärmedecke zugedeckt. Unterdessen rennt einer der Forstarbeiter zum Auto und holt die Rettungskarte und sein Handy. Er übermittelt an die Leitstelle die Koordinaten des Standortes. Auf der Karte sind Landepunkte für Helikopter und Rettungspunkte für den Krankenwagen aufgezeichnet. Zwar findet er schnell den am nächsten gelegenen Rettungspunkt, verwechselt ihn aber durch seine Aufregung mit dem Helikopterlandeplatz.
Zahlendreher erkannt
Doch gleich, nachdem er die Koordinaten übermittelt hat, fällt dem Forstarbeiter sein Fehler auf und korrigiert sich. Er setzt sich ins Auto und fährt zum genannten Rettungspunkt, um auf den Krankenwagen zu warten. Die anderen bleiben beim Bewusstlosen und überprüfen in regelmäßigen Abständen seine Vitalfunktionen.
Wolfram Gläser informiert sich bei der Rettungsleitstelle, ob die Koordinaten richtig übermittelt wurden. Er stellt fest, dass die Leitstelle den Notruf nicht als Übung, sondern als Ernstfall interpretiert hat und genauso gehandelt hat. Ein Krankenwagen ist auf dem Weg, wird nun aber benachrichtigt, dass es sich um keinen Unfall handelt. Weiterhin wird ihm gesagt, dass es anscheinend einen Zahlendreher bei den Koordinaten gegeben hat. „Nach Rücksprache mit dem Anrufer konnte der richtige Punkt festgestellt werden,“ sagt Wolfram Gläser. 20 Minuten nach dem Notruf kommt der Krankenwagen am Unfallort an.
Stresssituation für die Helfer
Auch wenn schon klar ist, dass es sich um eine Übung handelt, untersucht Rettungsassistent Lars Werthmann dennoch den Verletzten. Währenddessen holt sein Kollege Friedrich Berger die Trage aus dem Rettungswagen. Mit den Forst-arbeitern legen sie das Opfer auf die Trage. Dann bringen sie ihn in den Wagen. Die Übung ist beendet.
Wolfram Gläser zieht Bilanz: „Die Forstarbeiter haben schnell gehandelt und sofort die Rollen verteilt. Die falschen Koordinaten konnten schnell richtig gestellt werden. Wichtig wäre noch gewesen, weitere Hilfe von anderen Brigaden zu fordern, da es auch für die Helfer eine Stresssituation ist und sie sich immer abwechseln sollten.“ Auch Rettungsassistent Lars Werthmann räumt ein: „Wir waren erst an einem anderen Standpunkt mit gleichem Namen, und wir hätten gern gewusst, dass es sich um einen Forstarbeiter handelt.“ Trotzdem lobt er die Helfer: „Als wir ankamen, erhielten wir eine sehr gute Einweisung, der Verletzte wurde ausreichend versorgt in stabiler Seitenlage und mit Wärmeschutz.“
Wolfram Gläser hat in seinen 25 Jahren beim Forstbezirk mehrere Ernstfälle erlebt. Er sagt zum Ende des Einsatzes: „Wenn diese Übung dazu geführt hat, dass ein einziger Mensch kürzer leidet, dann hat sie sich gelohnt.“
Von Sarah Naumann
Quelle: sz-online/Sächsische Zeitung
Samstag, 3. Dezember 2011
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