Wenn Gerd Geißler einen Altkleidercontainer öffnet, erlebt er oft eine böse Überraschung. So auch wieder auf seiner jüngsten Tour in Paulsdorf. Beim Blick in den Container entdeckte der 52-Jährige frisch geschorene Schafwolle. Sogar der Stallmist hing noch dran. Dieser Vorfall ist keine Seltenheit.
Seit 15 Jahren ist Gerd Geißler beim DRK beschäftigt. Es zählt zu seinen Aufgaben, die 60 Kleidercontainer im Altkreis Dippoldiswalde zu leeren. Dabei transportiert der gelernte Treckerfahrer pro Monat etwa sechs Tonnen Kleidung in die Kleiderkammer nach Dipps.
Hier können Bedürftige neben Bettzeug, Handtüchern und Spielwaren vor allem Kleidung und Schuhe erhalten. Dieses Angebot nutzen jede Woche rund 30 bis 40 Menschen aller Altersklassen. Sie geben für die Sachen eine kleine Spende an das DRK. Das Rote Kreuz unterhält die Kleiderkammer seit 1990. Mit dem Geld können beispielsweise die Stromkosten gedeckt werden. Denn nur wenige Leute bringen ihre Sachen, die sie nicht mehr benötigen, direkt in die Kleiderkammer. Viele nutzen die Kleidercontainer in den Orten. Darum fährt Gerd Geißler jeden Dienstag eine von drei Runden, um die Spenden abzuholen. So kann er im Monat jeden der insgesamt 60Container einmal leeren.
Manchmal einfach nur Müll
Doch nicht alle nutzen die Container für eine Kleiderspende. Deshalb ist die Arbeit von Gerd Geißler oft sehr unangenehm. „Von allen eingesammelten Textilien sind ungefähr 60 bis 70 Prozent verwertbar“, schätzt Geißler ein. „20 Prozent sind alt und dreckig, 10 Prozent sind Müll.“ So ist es keine Seltenheit, dass ein Beutel mit alten Weihnachtstüten, verschimmeltes Brot oder eben ein Haufen frisch geschorene Schafwolle im Altkleidercontainer landen. „Das Ekligste, was ich in den ganzen Jahren in einem Container gefunden habe, waren Karnickelköpfe“, sagt Geißler.
Es passiert oft, dass die Mitarbeiter in den Containern auf Glasscherben stoßen. Deshalb sind Handschuhe beim Entleeren Pflicht. „Haushaltsgegenstände wie Gläser haben in einem Kleidercontainer nichts zu suchen“, sagt Geißler. „Wenn diese zerbrechen, können wir uns ernsthaft verletzen.“
Ab und zu kommt es auch vor, dass Container aufgebrochen werden. „Dann finden wir nur noch durchwühlte Beutel, aus welchen alle brauchbaren Sachen verschwunden sind“, sagt Geißler.
Damit die Kleidung im Container nicht verschmutzt, soll diese von den Spendern in Tüten verpackt werden. Allerdings liegen viele Kleidungsstücke lose in den Containern. Diese verstaut Gerd Geißler in mitgebrachten Bettlaken. „Auch wenn die Leute ihre Kleidung in gelben Säcken verpacken, tun sie uns damit keinen Gefallen. Diese Verpackungen reißen einfach viel zu schnell“, sagt Geißler. Wer Kleidung spenden möchte, kann sich beim DRK spezielle Tüten abholen. Das erspart den Mitarbeitern und Helfern eine Menge Arbeit.
Wie viele Kleidungsstücke in einem Container liegen, ist in jedem Dorf anders. So steht in Frauenstein eine Vielzahl von Beuteln schon neben den beiden randvollen Containern, während in Obercunnersdorf diesmal nur eine einzelne Jacke zu finden ist. „Die Obercunnersdorfer haben sich wohl noch nicht auf den Frühling eingestellt“, sagt Gerd Geißler und lacht.
Angebot größer als Nachfrage
Vor allem im Frühjahr und Herbst sind die Kleidercontainer sehr gut gefüllt. „Man merkt deutlich, in welchen Jahreszeiten die Leute ihre Schränke ausräumen“, so Geißler.
Seit es die Kleiderkammer in Dippoldiswalde gibt, ist immer eine sehr große Menge an Kleidungsstücken vorhanden. Das Angebot ist dabei sehr viel größer als die Nachfrage. Von allen eingesammelten Textilien werden nur zehn Prozent an Bedürftige ausgegeben. Der Rest wird zur Weiterverarbeitung gegeben. „Viele Menschen trauen sich einfach nicht, zu uns zu kommen. Sie schämen sich dafür. Dabei ist es doch keine Schande, dieses Angebot anzunehmen“, sagt Geißler.
Die Kleiderkammer in der Dippser Rettungsleitstelle auf der Rabenauer Straße öffnet jeden Dienstag zwischen 9 und 12 sowie 13 und 15Uhr; donnerstags zwischen 9 und 12Uhr.
Von Nadja Landsmann
Freitag, 13. April 2012
Quelle: sz-online/Sächsische Zeitung
Artikel-URL: http://www.sz-online.de/nachrichten/artikel.asp?id=3034634